Viele Jahre liegt es zurück, als wir als Kirchengemeinde begonnen haben, uns Gedanken zu machen, ob ein Umbau unseres alten Kirchengebäudes in der Hindenburgstraße zielführend ist, oder ein Neubau nicht doch die bessere Alternative wäre. Mit der Entscheidung für einen Neubau haben wir es uns nicht leicht gemacht.
Schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in der Gemeinde Stimmen, die ein gemeinsames neues Bezirkszentrum am damaligen Stadtrand von Herrenberg in der Nähe des alten Freibades vorschlugen. Doch damals (im Oktober 1963) entschied man sich, in Kuppingen die Friedenskirche für die dortige aktive Landgemeinde zu bauen, die dann am 22.07.1966 eingeweiht werden konnte. Was die Christuskirche in der Hindenburgstraße selber anbelangte, nahm die Gemeinde unter der engagierten Leitung von Pastor Hermann Duppel zunächst den Anbau eines neuen Gottesdienstraumes in Angriff. Am 1. Juli 1973 konnte dieser schöne achteckige Gottesdienstraum mit Foyer eingeweiht werden. Anschließend wurde der Jugendstil-Backsteinbau direkt an der Hindenburgstraße 22 renoviert und zu einem Gemeindezentrum mit Gruppenräumen und einer kleinen Küche umgebaut.
Ganz verstummt sind jedoch die Stimmen für einen Neubau in Herrenberg nie. Spätesten mit der Amtszeit von Pastor Holger Meyer ab Sommer 1999 begann ein intensives und kreatives Nachdenken über die Ausrichtung und Struktur der Arbeit im Kirchenbezirk. Das Ergebnis von vielen Sitzungen und Klausurwochenenden war der Entschluss, die Machbarkeit einer großzügigen Renovierung und Erweiterung der Christuskirche in der Hindenburgstraße und alternativ dazu ein Neubau zu prüfen. Dies führte das renommierte Architekturbüro Andreas Stahl in Tübingen durch. Pastor Meyer schreibt im Abschlußbericht zu seiner Dienstzeit (1999-2011) selbst: „Seit 2001 plant die Gemeinde einen Umbau der Christuskirche bzw. seit 2005 einen Neubau verbunden mit einer Bezirkszusammenlegung an einem neuen Standort. Die Bezirkszusammenlegung wurde 2008 von der Bezirkskonferenz und der Bezirksversammlung beschlossen.“
Für einen gemeinsamen Standort war es nötig einen geeigneten Bauplatz zu finden, der eine zentrale Lage zwischen Herrenberg, Affstätt und Kuppingen einnimmt, sowie gut zu Fuß von der Innenstadt und vom Bahnhof her (Anschluß an öffentliche Verkehrsmitteln) zu erreichen ist.
Aufgrund all dieser Vorarbeiten beschloss die Bezirkskonferenz im Mai 2008 definitiv auf einen Neubau eines gemeinsamen Bezirkszentrums zuzugehen. Pastor Meyer war schon zuvor auf das Grundstück der ehemaligen Stadtgärtnerei in der Max-Eyth-Straße aufmerksam geworden. So trat man zügig mit der Stadt Herrenberg in Verhandlung.
Schwieriger gestaltete sich der Verkauf der Liegenschaft der Christuskirche in Herrenberg. Erst im Sommer 2011 konnte in Herrn Stoll ein geeigneter Käufer mit einer auch für die Gemeinde akzeptablen Idee der Umgestaltung gefunden werden – heute das „Mauerwerk“, Restaurant und Veranstaltungsbühne für ein vielfältiges kulturelles Angebot. Gleichzeitig nach der Realisation des Verkaufs der „alten“ Christuskirche wurde im September 2011 das Grundstück für die neue Kirche an der Max-Eyth-Straße gekauft. Anfang Oktober 2011 wurden drei Architekturbüros beauftragt, Entwürfen für ein modernes und zweckmäßiges Gemeindezentrum nach den Vorgaben der Gemeinde zu entwerfen. Nach einer längeren Diskussions- und Bewertungsphase traf die Bezirkskonferenz am 19. März 2012 die Entscheidung, den Entwurf des Architekturbüro Eppler & Bühler aus Meßstetten bei Albstadt-Ebingen zu verwirklichen.
Bereits auf Ende Februar 2012 war die Christuskirche in der Hindenburgstraße vollständig geräumt worden. Großzügig stellte Familie Otto und Lore Brenner ihre große, saubere Lagerhalle zur Verfügung. So konnten dort alle Stühle, die Zeltlagerausrüstung der Jungschar, die Basar-Ausrüstung und vieles mehr seinen Platz finden. Als Bezirksgemeinde fanden wir warmherzige und hilfsbereite ökumenische Unterstützung. Am 26.02.2012 wurde die Gottesdienstgemeinde nach der Entwidmung der Christuskirche in der Hindenburgstraße von den katholischen Glaubensgeschwistern aufs herzlichste im großen Saal von Sankt Martin empfangen – und er blieb für gute 2 ½ Jahre unser Gottesdienstraum – unterbrochen nur von wenigen Sonntagen, an denen wir in der Friedenskirche Kuppingen enger zusammen rückten und dort Bezirksgottesdienste feierten. Jungschar und Jugendkreis konnten ihre Wochenveranstaltungen im evangelischen Gemeindehaus abhalten.
An den Entschluss der Bezirkskonferenz im März 2012 schloss sich eine intensive Planungsphase im Bauauschuß an. Insgesamt musste der Erstentwurf leicht verändert werden. Der Gottesdienstraum wurde in seiner Ausrichtung um 180° nach Süden gedreht, das Foyer etwas verkleinert. Im November 2012 wurde das Baugesuch an die Stadt Herrenberg eingereicht. Die Zwischenzeit bis zur Rohbau-Freigabe durch die Stadt im Mai 2013 war mit weiteren Planungen, Ausschreibungen und Vorbereitungen gefüllt. Bereits in der Erwartung der Baufreigabe feierten wir den „Spatenstich“ am 12.04.2013 mit einer eindrücklichen Aktion: Viele hatten einen Spaten oder eine Schaufel mitgebracht, auch Kinder und ältere Geschwister, und alle „bearbeiteten“ ein Stück Boden auf dem neuen Kirchplatz. Dabei ermutigte uns Superintendent Johannes Knöller in seiner Ansprache, diesen Ort lieb zu haben, weil Gott uns wertschätzt und uns hier an diesem Ort und für diesen Ort gebrauchen will und kann.
Nach dem Spatenstich und der Baufreigabe dauerte es dann doch noch bis Ende August, bis der große Bagger der Firma Roth zum Aushub anrückte. Dieser gestaltete sich langwierig, da mitunter jeder Lastwagen Erdaushub vom Geologen untersucht und bewertet werden musste. Doch dann konnte Firma Creutz aus Wildberg mit den Fundamenten, der Bodenplatte und dem Rohbau im September beginnen. Sie arbeiteten vorzüglich und umsichtig. Ein milder Winter, wie er selten zu erleben ist, erlaubte den gesamten Winter auch im Freien zu arbeiten. So konnte bereits im Januar das Zimmergeschäft Schaible aus Wildberg die Lignatur-Fertigholzdecke im Gottesdienstraum einsetzen. Am 30.01.2014 konnte mit Freude und Dank und unter der Beteiligung einer großen Gemeinde und von Gästen das Richtfest gefeiert werde.Der Feier lag das Wort aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 3 zugrunde: Ihr seid Gottes Bau – Christus ist das Fundament. Der Grundstein im Foyer der Christuskirche erinnert daran.
Im Laufe des Jahres 2014 geschah dann der Innenausbau. Neben den Fachfirmen wie Elektro Schmidt aus Gültstein und Heizung und Sanitär Lang aus Bondorf geschah hier vieles in unzähligen Stunden in Eigenleistung. Ferdinand Mayer, Zimmerhandwerksmeister und Kirchenglied, begann am 1. Februar 2014 sein Jahr im Bundesfreiwilligen Dienst und war eine unschätzbare Hilfe bei der Organisation, Anleitung und Durchführung dieser Eigenleistungen. Unermüdlich warb er um Mitarbeit und motivierte und informierte, so dass wir mit ca. 4000 Stunden Eigenleistungen und seinen eigenen ca. 1700 Stunden Einsatz als BFD’ler wirklich sagen können: Die Christuskirche ist mit Gottes Hilfe unser gemeinsames Werk geworden.
Im Herbst 2014 wurden von Landschaftsbau Hiller, Bondorf, Parkplatz, Treppenaufgänge und Vorplätze der Kirche gestaltet. Damit war auch der Zugang, das gute Ankommen in der Kirche für alle möglich.
Durch die Mitarbeit von Martin Burchard mit seinem Atelier in Tübingen seit Sommer 2012 konnten auch frühzeitig Entwürfe für die Gestaltung eines „Turmes“ vor der Kirche erarbeitet werden. Von Anfang an war der Wunsch, dass der „Turm“ eine Botschaft trägt, die im Gottesdienstraum wieder aufgenommen wird.
Im September 2013 sprach sich die Bezirkskonferenz für den heute ausgeführten Entwurf der Christus- bzw. Auferstehungs-Stele vor der Kirche und der dazu entsprechenden Gestaltung der Altarwand im Innern aus. Die Beauftragung wurde jedoch bewußt zum damaligen Zeitpunkt aus finanziellen Gründen zurück gestellt. Ein Jahr später, im September 2014, bekräftigte die Gemeinde ihren Wunsch und Entschluss, trotz des beschränkten Finanzrahmens, den Entwurf zu verwirklichen – und dazu auch Abendmahlstisch und Kanzel von Herrn Burchard entwerfen zu lassen. Es war und ist das Anliegen, dass die Kirche auch als Gebäude eine Botschaft aussendet, die Menschen anspricht, zum Dialog einlädt und als bildhafter und einprägsamer Impuls im Leben und Glauben begleitet.
Die robusten und modernen Materialien von rostigem Stahl (Turm und Auferstehungsfiguren) und hellem Ahornholz (Kanzel und Abendmahlstisch) wurden bewußt gewählt. Sie treten als Werk unserer Zeit an die Seite des restaurierten Glasfensterfrieses zum Vaterunser aus dem Jahr 1973. Walter Schimpf (1928-2007), ausgewiesener (Kirchen-) Künstler aus Leinfelden, hatte diese Darstellung des Vaterunser als umlaufendes Fensterfries für den achteckigen Anbau des Gottesdienstraumes in der Hindenburgstraße damals geschaffen. Es war ein selbstverständliches Bedürfnis, dieses Werk zu erhalten und es im neuen Gottesdienstraum wieder zu platzieren. Dank der engagierten fachwerklichen Mitarbeit und Ausführung der Schlosserei Veit, Gomaringen, und der Schreinerei Dittus, Ammerbuch-Altingen, konnten die Auferstehungsfiguren und der Turm am 16.12.2014 montiert werden – und am 23.12. wurden Kanzel- und Abendmahlstisch gebracht.
Die Gottesdienstgemeinde erlebte mit der Feier der Christvesper am Heilig Abend 2014 um 17 Uhr die neue Kirche zum ersten Mal. Es war für die Gemeinde eindrücklich, das Evangelium von der Geburt Jesu in einem Stall zu hören - und selbst voller Dank und Staunen in einem neuen, schönen und weiten Raum feiern zu dürfen.
Schon im Dezember 2014 begann Pastor i.R. Robert Gaubatz, Mössingen, der sich seit Jahren auch als Glaskünstler ausgewiesen hat, mit der Restaurierung der „Vaterunser-Fenster“. Standen im bisherigen Gottesdienstraum gute 36 Meter an Frieslänge zur Verfügung, musste Robert Gaubatz den Fries um gute 10 Meter kürzen – ohne wesentliche Szenen und Darstellungen zu verlieren. Mit bewundernswerter Disziplin und Begeisterung stellte Pastor Gaubatz sich dieser Aufgabe und setzte in den Wochen bis Anfang Februar den Fries neu zusammen. Am 9. Februar 2015 konnten die Vaterunser-Glasfenster an ihren neuen Ort in die Oberlichter der neuen Christuskirche eingesetzt werden.
Seit unserem Auszug aus der alten Christuskirche in der Hindenburgstraße sind fast auf den Tag genau 3 Jahre vergangen, wenn wir am 1. März 2015 die offizielle Einweihung des Bezirkszentrum Christuskirche feiern. Die Zeit dazwischen war für die Gemeinde manchmal – so haben es mitunter manche ausgedrückt - wie der lange Weg des Volkes Israel beim Auszug aus Ägypten.
Zu dieser Wegstrecke gehört auch der Verkauf des ehemaligen Versammlungshauses in Affstätt im Januar 2013, nachdem dort schon im September 2010 Gottesdienste und Bibelstunden beendet worden waren.
In der Friedenskirche Kuppingen erlebte der Bezirk am 30.11.2014 (1. Advent) einen Abschiedsnachmittag mit Erzählen und Bilderberichten und zwei Wochen später am 3. Advent den Entwidmungsgottesdienst. Mitte Januar 2015 wurde die Kuppinger Immobilie an den neuen Eigentümer übergeben.
Nach diesen intensiven 3 Jahren der Veränderungen, der Abschiede und der Bauzeit ist bei uns allen die Freude auf das neue Zuhause groß. Mit Freude und großem Dank gestalten wir den Einweihungstag am 1. März. Bischöfin Rosemarie Wenner wird die Namensgebung der neuen Kirche aussprechen und das Predigtwort aus Hebräer 10,23+24 unter den Gedanken stellen: Hoffnung trägt. Mögen wir immer dankbar an Vergangenes denken können, lebendig und beweglich in der Gegenwart leben und mit von Gott geschenkter Hoffnung in das neue Morgen gehen.
Text von Elisabeth Schühle und Alfred Schwarzwälder